»Im Krisenmanagement macht die Digitalisierung uns flexibler und handlungsfähiger« (Interview)

Ob Hochwasser, Pandemie oder menschengemachte Bedrohung: Lösungen des Fraunhofer IOSB unterstützen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben auf strategischer Ebene

Dr. Moßgraber, Klimakrise, Corona, kriegerische Auseinandersetzungen – in den vergangenen Jahren ist vielen neu bewusst geworden, wie verletzlich unser Leben und unsere Gesellschaft ist. Wie können digitale Technologien hier helfen?

Jürgen Moßgraber: Das ist ein sehr weites Feld. Als Geschäftsfeld Energie-, Umwelt- und Sicherheitssysteme des Fraunhofer IOSB sehen wir unsere Mission hier aber klar auf der strategischen Ebene: Wir entwickeln digitalen Werkzeuge, die diejenigen unterstützen, deren Aufgabe es ist, Krisen zu managen, Maßnahmen zu koordinieren und im Idealfall Risiken schon im Vorfeld zu erkennen und ihnen planerisch entgegenzuwirken. Man könnte sagen, wir sind zuständig für möglichst effektive Softwarelösungen für die Lagezentren und deren Austausch untereinander. In Baden-Württemberg z.B. zwischen Innenministerium, Regierungspräsidien und bis herunter zu den Gemeinden.

Was sind das für Lösungen?

Moßgraber: Wir erforschen Möglichkeiten, Auswirkungen der Klimakrise abzumildern, beispielsweise indem wir die Reaktionszeit für Flutkatastrophen durch KI-gestützte Vorhersagen erhöhen (siehe PrognoSF). Wir entwickeln gekoppelte Simulationen für komplexe Szenarien speziell im urbanen Umfeld, um Sicherheitsmaßnahmen zu optimieren, bevor der Ernstfall eintritt – letzteres im Fraunhofer-Zentrum für die Sicherheit Sozio-Technischer Systeme SIRIOS in Berlin. Eine zentrale Aufgabe ist die Lagedarstellung und -bearbeitung. Entsprechende Tools führen idealerweise alle verfügbaren Informationen zusammen, visualisieren sie übersichtlich und sind dabei flexibel und nutzerfreundlich. Hier entwickelt das IOSB zwei komplementäre Systeme, die Elektronische Lagedarstellung für den Bevölkerungsschutz (ELD-BS) und den Digitalen Lagetisch, kontinuierlich weiter, wobei beide seit Jahren im Praxiseinsatz sind und sich vielfach bewährt haben. 

Welche Herausforderungen haben Sie dabei besonders im Fokus?

Moßgraber: Stichwort »schwarzer Schwan«: Ein wichtiges Ziel ist die Flexibilität gegenüber neuen, unerwarteten Lagen, wie zum Beispiel die Corona-Pandemie eine war. Zudem ist es in der Praxis oft schwierig, das Ausmaß einer Lage ausreichend schnell abzuschätzen. Sind etwa bei einem Hochwasser einzelne Häuser und Dörfer, oder ist eine ganze Region schwer betroffen? Abhilfe für beide Herausforderungen schaffen am ehesten interoperable, durchgängige Lösungen, die Kommunen und Landesbehörden miteinander vernetzen und möglichst viele Datenquellen und Ressourcen einbinden. Diesen Weg beschreiten wir in Baden-Württemberg mit der ELD-BS. Aber Lagen machen in der Regel nicht an Grenzen halt, und in anderen Bundesländern bzw. auf nationaler Ebene oder auch beim Heimatschutz der Bundeswehr gibt es kaum vergleichbare, geschweige denn kompatible Systeme. Hier besteht noch großes Entwicklungspotenzial.

Digital technologies for productivity, sustainability, and security

Das obenstehende Interview ist dem Tätigkeitsbericht 2023/2024 des Fraunhofer IOSB entnommen.

 

Energie-, Umwelt- und Sicherheitssysteme

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