»Daten entfalten echten Mehrwert, wenn Unternehmen sie zielgerichtet teilen«

Manufacturing-X und assoziierte Projekte: Wie die Digitalisierung ökonomische Effizienz und Nachhaltigkeit gleichzeitig voranbringt

Dr. Sauer, warum sollte sich ein KMU mit Digitalen Zwillingen oder Datenökosystemen befassen?

Olaf Sauer: Im Sinne der Nachhaltigkeit und des Ideals der Kreislaufwirtschaft muss jedes produzierende Unternehmen zukünftig Angaben über seinen CO2-Fußabdruck machen und bald auch Digitale Produktpässe erstellen, möglichst unter Nutzung von Standards. Dafür bietet sich etwa die Asset Administration Shell (AAS) an. Regulatorik allein ist jedoch nur eine schlechte Motivation, um Digitale Zwillinge zu nutzen. Daten entfalten erst einen echten Mehrwert, wenn Unternehmen sie zielgerichtet mit Kunden, Lieferanten und Ausrüstern teilen. So lassen sich Potenziale erschließen, von denen wir heute noch träumen. Z. B. hat ein Werkstoffhersteller Daten über den Herstellungsprozess und die Qualität seines Materials; der weiterverarbeitende Betrieb könnte damit die Parameter an seinen Produktionsanlagen besser und effizienter einstellen und so vielleicht den Ausschuss reduzieren oder den Anlauf beschleunigen. In Datenökosystemen können Unternehmen die Daten nach definierten Regeln austauschen, so dass am Ende jeder profitiert. 

Manufacturing-X soll dafür den Rahmen bilden. Was heißt das konkret?

Sauer: Manufacturing-X ist ein Rahmenprogramm zum Aufbau branchenbezogener Datenökosysteme, z. B. für den Maschinenbau (im Leuchtturmprojekt Factory-X), die Flugzeugindustrie (Aerospace-X) oder die Halbleiterbranche (Silicon-X). Weil sie alle auf der gleichen Infrastruktur aufbauen, sind sie interoperabel, so dass Unternehmen sich nur bei einer dieser Plattformen anmelden müssen, um Daten weiterzugeben oder von anderen zu bekommen. Digitale Zwillinge, oder besser: Teilmodelle Digitaler Zwillinge, helfen beim standardisierten Austausch der Daten, sei es horizontal, also entlang der Lieferketten, oder vertikal, beim Austausch von Daten, die zur Laufzeit von Maschinen und Anlagen entstehen. Andererseits hat jede Branche spezifische Anwendungsfälle, z. B. aufgrund brancheninterner Regulatorik, für die eigene Softwarebausteine (= Business-Applikationen) erforderlich sind.

Was ist die Rolle des Fraunhofer IOSB?

Sauer: Fraunhofer engagiert sich beim Aufbau der Datenökosysteme an zwei entscheidenden Punkten: Wir entwickeln einen Teil der genannten Business-Applikationen. Das tun wir auf Basis offener Standards, sodass produzierende Unternehmen sie leicht in ihre IT-Infrastruktur integrieren können. Und wir entwickeln Software-Dienste für die Basis-Infrastruktur. Dabei setzen alle Partner auf Open Source-Lösungen, weil die Infrastruktur zwar elementar ist, um die Datenökosysteme aufbauen und betreiben zu können, aber nicht wettbewerbs- bzw. kundenrelevant. So teilen sich alle Partner die Entwicklungsaufwände für Dienste, die Kunden zwar nicht direkt sehen, aber benötigen, um Daten auszutauschen. Unser Know-how aus diesem Engagement können wir dann wiederum in Transfer- und Kundenprojekte einbringen. 

Digital technologies for productivity, sustainability, and security

Das obenstehende Interview ist dem Tätigkeitsbericht 2023/2024 des Fraunhofer IOSB entnommen.

 

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