Anwendungsbeispiele und Methoden

Aufgabenstellung

In der automatischen Sichtprüfung und Bildverarbeitung reichen einzelne Ansichten zur Beurteilung von Szenen und zur Qualitätsprüfung von Objekten oft nicht aus. Beispiele hierfür sind komplex geformte Objekte, bei denen Abschattungen eine geeignete Beleuchtung verhindern und die Beobachtbarkeit der gesamten Oberfläche beeinträchtigen. Auch bei anderen Aufgabenstellungen können wichtige geometrische und optische Eigenschaften des Objekts oder der Szene nicht mit Einzelbildern erfasst werden.

 

   
Bild 1: Variation der Fokusposition: Die Vertiefung kann in einer einzigen Aufnahme nicht komplett scharf abgebildet werden. Bild 2: Variation des Azimuts einer gerichteten Beleuchtung: Die Riefenstruktur ist nur sichtbar, wenn die Beleuchtung senkrecht zu den Riefen einfällt.

Bild 1 zeigt eine Vertiefung, deren Ausdehnung größer ist als die mit der Aufnahmeoptik erzielbare Schärfentiefe. Bei Veränderung der Fokusposition kann zwar jeder einzelne Ort des Objekts scharf abgebildet werden, jedoch nicht der gesamte Bildausschnitt in einer einzigen Aufnahme.

Selbst wenn prinzipiell eine Aufnahme mit geeigneten Aufnahmeparametern ausreichend wäre, besteht häufig die Schwierigkeit, genau die optimalen Parameter zu identifizieren und einzustellen. Bild 2 zeigt als Beispiel eine Riefentextur, bei der die Riefenstruktur nur dann gut sichtbar ist, wenn die Beleuchtung senkrecht zu den Riefen einfällt. Bei der dargestellten Bildserie mit variiertem Azimut einer gerichteten Beleuchtung ist dies zweimal je Umlauf des Azimuts der Fall, während bei einer Beleuchtung in Riefenrichtung fast keine Riefenstrukturen erkennbar sind.

Lösungsansätze

In derartigen Fällen besteht ein viel versprechender Ansatz darin, anstelle eines Einzelbildes eine Bildserie aufzunehmen, bei der bestimmte relevante Parameter der Bildaufnahme gezielt variiert werden. Variierbar sind dabei sämtliche Parameter der Bildaufnahme, die einer technischen Einflussnahme zugänglich sind. Aus einer derartigen Bildserie kann nachfolgend ein Ergebnisbild gewonnen werden, indem mittels einer Fusion die über die Serie verteilt vorliegende Information konzentriert wird.

Diese Strategie entspricht im Ansatz der Vorgehensweise eines menschlichen Beobachters, der bei der visuellen Inspektion ähnlich verfährt: Ein Objekt wird so lange unter verschiedenen Perspektiven und mit unterschiedlicher Beleuchtung untersucht, bis die gewünschte Eigenschaft ermittelt ist.

Ergebnisse

Die oben dargestellten Bildserien wurden auf charakteristische Merkmale untersucht, die in den Bildserien variieren. Diese Merkmale wurden in geeigneter Weise klassifiziert, so dass z.B. durch Auswertung eines lokalen Kontrastmaßes eine synthetische Fokuserweiterung möglich ist.

 

Bild 3: Fusionsergebnis der Fokusserie von Bild 1: Durch die synthetische Erweiterung des Fokusbereichs ist die gesamte Vertiefung scharf abgebildet. Bild 4: Fusionsergebnis der Beleuchtungsserie von Bild 2: Segmentierung des Riefenbereichs, der Hintergrund ist schwarz maskiert.

Methoden

Systemtheorie

Für die Erfassung von Bildserien wird eine Systemtheorie erarbeitet, welche die theoretischen Grundlagen für die sinnvolle Aufnahme von Bildserien darstellt. Besonderes Gewicht wird auf die Darstellung der verfügbaren Parameterräume und deren gegenseitigen Abhängigkeiten gelegt.

 

Variable Aufnahmetechniken

Aufnahmeparameter werden identifiziert, deren Variation die Gewinnung zusätzlicher Information ermöglicht. Zur Erfassung von Bildserien werden Techniken entwickelt, um die zu variierenden Parameter rechnergestützt einzustellen. Schwerpunkte liegen hierbei auf der Handhabung der Komponenten der Bildgewinnung, der Entwicklung geeigneter Beleuchtungseinrichtungen sowie der Erarbeitung von Beleuchtungsstrategien und deren experimenteller Umsetzung.

 

Fusion von Bildserien

Aus Bildserien wird die interessierende Information durch Fusion extrahiert. Unterschiedliche Fusionsverfahren werden theoretisch analysiert und zur Anwendung auf Bildserien mit multivariaten Aufnahmekonstellationen weiterentwickelt.

Active Vision

Aus der Beurteilung von Einzelbilden und der Fusionsergebnisse einer Bildserie kann auf die Eignung der Aufnahmeparameter für das zu untersuchende Objekt bzw. die Szene geschlossen werden. Durch Optimierung der Aufnahmeparameter unter Berücksichtigung vorheriger Ergebnisse wird eine Art Regelkreis entwickelt, der zu einem für das Objekt bzw. die Szene optimalen Parametersatz führt. Das üblicherweise in der automatischen Sichtprüfung praktizierte statische »Ansehen« des Objekts soll so ersetzt werden durch ein dynamisches »Nachsehen«, das die visuelle Inspektion eines Experten imitiert.