Aufgabe und Ziele
Es ist absehbar, dass Fahrzeuge in naher Zukunft über eine Vielzahl von Sensoren verfügen werden, ebenso wie über vielfältige Möglichkeiten der Datenprozessierung und -übertragung. Auf dem Markt ziviler Fahrzeuge wird diese Entwicklung vor allem durch ein gesteigertes Bedürfnis an Sicherheit und Komfort für die Insassen vorangetrieben. Zusätzlich werden auch für militärisch genutzte Fahrzeuge Fähigkeiten gefordert, die jederzeit ein umfassendes Lagebewusstsein (engl. Situation Awareness) gewährleisten. Dieser Trend hat in den letzten Jahren auch Einzug in den Bereich der Forschung gehalten, jedoch werden Verfahrensentwicklung und -verifizierung oft noch durch das Fehlen eines Mess- und Demonstrationsfahrzeugs aufgehalten.
Es besteht der Bedarf an einem vielseitig einsetzbaren und konfigurierbaren Fahrzeug, das die zu Forschungszwecken nötigen Technologie- und Verfahrenstests für eine Vielzahl möglicher Sensoren und für verschiedene Einsatzszenarien erlaubt. In Abhängigkeit vom gerade untersuchten Szenario kann das Fahrzeug dabei auch in unterschiedlichen Rollen auftreten, zum Beispiel als Führungsfahrzeug bzw. nachfolgendes Fahrzeug innerhalb einer Kolonne, als Einzelfahrzeug im Straßenverkehr, oder auch als Einsatzleit- und Kontrollfahrzeug. Beispielhafte Anwendungen für die untersuchten Sensoren sind etwa die automatische Hindernisdetektion und -vermeidung, Monitoring des Straßenverkehrs, die Erfassung von 3D-Daten, Änderungsdetektion, sowie die Zielerkennung, -verfolgung, -markierung und -übergabe. Es ist darüber hinaus auch möglich, ein Netzwerk mehrerer Fahrzeuge und deren Interaktion zu simulieren.
Kurzbeschreibung des Technologieträgers MODISSA
Beim Technologieträger MODISSA (engl. Mobile Distributed Situation Awareness) handelt es sich um die IOSB-eigene Realisierung einer Experimentierplattform zur Sensorbewertung und Verfahrensentwicklung im Zusammenhang mit den oben erwähnten Aufgabenstellungen und Rahmenbedingungen von Fahrzeugschutz und fahrzeugbezogener Sicherheit, auch bei militärischen Anwendungen.
Die Grundlage von MODISSA bildet ein VW T5 Kleinbus, der mit einer breiten Palette an Sensoren versehen wurde (Abb. 1). Außerdem beinhaltet er die nötige Hardware für die Rohdatenaufzeichnung, die Echtzeitverarbeitung und die sofortige Visualisierung von Auswerteergebnissen. Der VW-Bus verfügt hierfür über mehrere Sensoren im Bereich des Fahrzeugdaches, sowie über die zum Betrieb nötige Stromversorgung und Elektronik im Inneren des Fahrzeugs. Die Sensorausstattung kann an die Erfordernisse der jeweiligen Untersuchung angepasst werden. Zum Betrieb der Sensoren werden im Fahrzeug mehrere PCs zur Verfügung gestellt, die sich in einem Einbaurahmen hinter dem Fahrersitz befinden. Eine komplette Sitzreihe im VW-Bus ist für bis zu drei Personen vorgesehen, die während der Fahrt das Sensorsystem bedienen oder die Echtzeit-Resultate auf den vorhandenen Anzeigegeräten (Bildschirme, VR-Brille) betrachten können (Abb. 2). Die Stromversorgung wird durch vier Lithium-Ionen-Akkus mit Wechselrichter sichergestellt, die sich im hinteren Teil des Fahrzeugs befinden und die für mehrere Stunden eine von externen Energiequellen unabhängige Operation aller Geräte ermöglichen.
Die Steuerung der Sensoren und die Datenerfassung werden durch mehrere vernetzte PCs im Fahrzeug übernommen (Abb. 3). Dabei kann man drei Typen von PCs anhand deren Verwendung unterscheiden: Ein Kontroll-PC, mehrere Aufzeichnungsrechner und ein leistungsstarker Verarbeitungs-PC. Zur direkten Georeferenzierung der Messdaten und zur zeitlichen Synchronisierung der Sensoren verfügt das Fahrzeug über ein Inertialnavigationssystem. Dessen IMU (Inertialmesseinheit, engl. Inertial Measurement Unit) befindet sich auf der Trägerplatte möglichst nahe an den Hauptsensoren des Systems, wodurch Positionierungsfehler infolge elastischer Verformungen gering gehalten werden. Zudem befinden sich zwei GPS-Antennen auf dem Dach des Fahrzeugs, jeweils eine im vorderen und im hinteren Bereich des Daches.
Die Sensoren sind auf Trägerplatten befestigt, welche wiederum an einem Standard-Dachgepäckträger angebracht sind. Die momentan verwendete Sensorkonfiguration beinhaltet mehrere LiDAR-Sensoren (Laserscanner), ein Setup von acht Kameras für die omnidirektionale Sicht und zwei zusätzliche Kameras auf einem Schwenk-/Neigekopf (eine Kamera im sichtbaren Spektralbereich, ein Mikrobolometer für den thermischen Infrarotbereich). Zwei Laserscanner befinden sich an den vorderen beiden Ecken des Fahrzeugdaches, wo sie je auf einem Sockel angebracht sind, der entsprechend den Anforderungen der Datenerfassung mit unterschiedlichen Neigungen und Orientierungen zur Fahrtrichtung versehen sein kann. Verschiedene Anordnungen der Laserscanner liefern beispielsweise eine optimale Abdeckung der Fahrbahn oder ermöglichen die 3D-Erfassung von Fassaden seitlich und hinter dem Fahrzeug. Eine vertikale Abschirmplatte zwischen den beiden Laserscannern verhindert, dass eine wechselseitig direkte Laserbestrahlung der Laserdetektoren auftreten kann. Das Setup von Kameras zur omnidirektionalen Sicht besteht aus je zwei Kameras an jeder Ecke des Fahrzeugs. Der Schwenk-/Neigekopf befindet sich nahezu in der Fahrzeugmitte, um die gegenseitige Abschattung von Laserscannern und Kameras zu minimieren.