Vom Studium in die Wissenschaft
Ihr habt beide Informatik studiert. Gab es während des Studiums besondere Herausforderungen, die es zu überwinden gab?
Anne Sielemann: Ganz am Anfang des Studiums war ich mir unsicher, ob ich Informatik studieren soll und ob ich das schaffen würde. Die Unsicherheiten hatten auch damit zu tun, dass Informatik eine männerdominierte Domäne ist. Ich habe mich kurzfristig dann doch dazu entschieden Informatik zu studieren, weil ich Logikrätsel und Mathematik immer mochte. Dennoch war es herausfordernd, da ich in meiner Freundesgruppe die Einzige war, die noch nie zuvor programmiert hatte. Viele hatten Informatik in der Schule belegt und konnten bereits programmieren. Dieses Vorwissen hat mir am Anfang gefehlt und es war schwierig aufzuholen. Dann habe ich aber bessere Noten erzielt, als ich erwartet hatte – sogar teilweise bessere als manche meiner Kommilitonen. Damit haben sich meine Sorgen wieder aufgelöst.
Anna Taphorn: Ich hatte schon in der Schule Informatik, aber das war nicht ausschlaggebend für meine Studienwahl. Bei mir kamen Zweifel, ob ich als Frau in diesem Fach bestehen könnte. Am Anfang habe ich viel verglichen, an mir gezweifelt und mich gefragt, ob ich hier hingehöre. Das war eine Herausforderung für mich. Aber das Thema hat mir Spaß gemacht und ich wollte schauen, wie weit ich komme.
Wie seid ihr zum Fraunhofer IOSB gekommen?
Anna Taphorn: Nach meinem Bachelor in Angewandten Kognitions- und Medienwissenschaften, der Psychologie und Informatik vereint, habe ich weiter Informatik in Reutlingen studiert. Der Studiengang heißt Human Computer Interaction. Man kommt schon früh mit Fraunhofer in Berührung, zum Beispiel auf der Hannover Messe. Besonders angesprochen hat mich der Aspekt der angewandten Forschung und so habe ich mich am Fraunhofer IOSB beworben. In der Stellenbeschreibung habe ich auch gesehen, dass besonders Frauen ermutigt werden, sich zu bewerben und dass es entsprechende Fördermöglichkeiten gibt. Das hat mich besonders motiviert, mich hier zu bewerben.
Anne Sielemann: Bei mir lief es ähnlich. Ich habe Informatik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) studiert und kam über die Empfehlung einer Freundin ans Fraunhofer IOSB. Spannende Themen für Bachelorarbeiten haben mich dann überzeugt, meine eigene Bachelorarbeit in der Abteilung MRD zu schreiben, in der ich im Anschluss als Hiwi gearbeitet habe, dann meine Masterarbeit geschrieben habe und jetzt auch promoviere.
Arbeiten am Fraunhofer IOSB
Was ist eure Tätigkeit am Institut und mit wem arbeitet ihr zusammen?
Anna Taphorn: Ich arbeite als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Sichtprüfsysteme (SPR) vor allem mit spektraler Bildgebung, wie zum Beispiel beim Obst- und Gemüsescanner, mit dem wir die Qualitätsmerkmale frischer Lebensmittel erfassen. In erster Linie arbeite ich mit meinem Team zusammen, aber auch mit anderen Kolleginnen und Kollegen aus der Abteilung. Außerdem kooperieren wir viel mit externen Partnern und Unternehmen, die uns in Projekten unterstützen oder weiterbringen. Ich wurde als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Softwareentwicklerin eingestellt und habe auch von Anfang an die Verantwortung für ein Projekt übernommen. Neben der Softwareentwicklung mache ich viel Projektkoordination, betreue Studierende und recherchiere neue Lösungen oder Verfahren.
Anne Sielemann: Ich bin Doktorandin in der Abteilung für Mess-, Regelungs- und Diagnosesysteme (MRD) und untersuche dabei die Qualität von synthetisch generierter Sensordaten aus Simulationsumgebungen im Kontext autonomer Mobilitätssysteme. Aktuell beschäftige ich mich vor allem mit Bilddaten und erforsche, wie gut sich verschiedene Methoden eignen und wie man diese in Zukunft miteinander vergleichen kann. Ich arbeite eng mit meinen Kollegen und mit studentischen Hilfskräften zusammen, habe eigene Projekte und Projektmeetings. Mein Gruppenleiter übernimmt etwas stärker die Projektakquise, sodass ich mich mehr auf die Projektarbeit und meine Promotion konzentrieren kann.
Karriere und Frauen in der Wissenschaft
Wie unterstützt euch das TALENTA-Programm?
Anne Sielemann: TALENTA gibt mir die Freiheit, meine Promotion in der zur Verfügung stehenden Zeit voranzubringen und mich mit Berufsperspektiven zu beschäftigen. Der Austausch mit anderen TALENTA-Teilnehmerinnen ist dabei inspirierend. Ich habe über TALENTA auch die Möglichkeit, an einer Vorlesung teilzunehmen, die mich sehr interessiert.
Anna Taphorn: Ich nutze das Programm, um Zeit in Themen zu investieren, in denen ich Expertise aufbauen möchte. Es muss dabei nicht unbedingt ein bestimmtes Arbeitsprojekt voranbringen, sondern dient meiner persönlichen Karriereentwicklung.
Welche Tipps würdet ihr jungen Wissenschaftlerinnen geben, die eine Karriere in der Forschung anstreben?
Anne Sielemann: Mut haben. Wir beide haben die Erfahrung gemacht, dass man als Frau zu Beginn oft unsicher ist. Das liegt meiner Meinung nach daran, dass Männer anders sozialisiert sind und es ihnen leichter fällt von sich zu behaupten, dass sie etwas gut gemacht haben. Frauen hingegen fällt das oft schwerer und dadurch entsteht schnell der Eindruck, dass man nicht so gut ist – obwohl das natürlich Quatsch ist. Man muss den Mut haben zu sagen: »Ich kann das und ich möchte das!«
Anna Taphorn: Absolut! Oft gibt es keinen wirklichen Unterschied im Können oder den Fähigkeiten, sondern eher in der Art, wie man sich präsentiert. Ein weiterer Tipp wäre, bereits im Studium nach Förderprogrammen Ausschau zu halten, davon gibt es viele. Da lohnt es sich auf jeden Fall, sich darauf zu bewerben, denn viele Stipendien werden gar nicht richtig in Anspruch genommen.
Was gefällt euch besonders am Fraunhofer IOSB?
Anne Sielemann: Was ich hier richtig toll finde, ist die Flexibilität, die ich in allen Bereichen habe. Ich kann meine Arbeitszeiten sehr flexibel gestalten und meine Gruppe ist sehr offen dafür, dass ich meine Home-Office-Zeiten selbst bestimme. Auch die interne Kommunikation und Abstimmung über Aufgaben sind immer so, dass jeder an was arbeiten kann, was er gerne mag. Die Kollegen sind super, und es gibt hier viele Vorbilder in Führungspositionen und den Abteilungen, in denen Frauen eine sichtbare Rolle spielen.
Anna Taphorn: Ja, das stimmt. Man hat die Freiheit, den eigenen Weg zu finden. Hier arbeitet man an sehr aktuellen und gesellschaftlich relevanten Themen – in meinem Fall sind das zum Beispiel das Thema Lebensmittelverschwendung im Handel oder Digitalisierung im Agrarsektor für eine resilientere Landwirtschaft. Man hat das Gefühl, mit seiner Arbeit einen echten Mehrwert zu schaffen und nicht einfach nur einen Job zu erledigen.
Herzlichen Dank für das Gespräch, wir wünschen euch viel Erfolg für eure weitere Karriere am Fraunhofer IOSB!
Das Gespräch führten Miriam Lappe und Claire Grüner.