KIT und Fraunhofer errichten Entwicklungs- und Demonstrationszentrum für die Fabrik der Zukunft – Referenzprojekt für KI-Strategie des Bundes
Auf dem Weg zur Karlsruher Forschungsfabrik
Mit dem gemeinsamen Spatenstich der Kooperationspartner Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Fraunhofer-Gesellschaft hat Ende Dezember die »Karlsruher Forschungsfabrik« ihren baulichen Anfang genommen. In der 15-Millionen-Anlage auf dem Campus Ost des KIT sollen ab Ende 2020 neue Produktionstechnologien mithilfe modernster Digitalisierungsmethoden deutlich schneller als bisher geplant, getestet und in die Industrie überführt werden. Das Projekt wird einen wichtigen Beitrag zu der jüngst beschlossenen »Strategie Künstliche Intelligenz« der Bundesregierung leisten und gilt als bedeutsam für die Innovationskraft des Standorts Deutschland.
Einen Großteil seines Wohlstands verdankt Deutschland der Fähigkeit, innovative Produkte schnell und immer wieder auf den Weltmarkt zu bringen. Die Herstellung dieser Produkte muss sich im Zeitalter von globalem Wettbewerb, Digitalisierung und künstlicher Intelligenz beständig neu erfinden. Zum einen, um wissenschaftliche und technologische Vorsprünge auf Wettbewerber und Nachahmer zu wahren. Zum anderen, um im Spannungsfeld neuer Technologien, komplexer Fertigungsprozesse, zunehmender Individualisierung und extremer Variantenvielfalt zu bestehen. Vor dem Hintergrund dieser Herausforderung sind das KIT mit seinem wbk Institut für Produktionstechnik und die Fraunhofer-Gesellschaft mit ihren Instituten für Chemische Technologie ICT und für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB übereingekommen, auf dem Campus Ost des KIT die Karlsruher Forschungsfabrik zu errichten.
Unreife Produktionsprozesse in neuer Geschwindigkeit serienreif machen – das ist das Programm der im Bau befindlichen Karlsruher Forschungsfabrik. (Abb.: KIT)
»Die Karlsruher Forschungsfabrik ist der Musterfall einer disziplinübergreifenden Kooperation starker Partner zum Nutzen der vital wichtigen Innovationsfähigkeit unseres Landes«, sagt der Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie Professor Holger Hanselka. »Durch die zielgerichtete und frühzeitige Einbindung kleiner und mittlerer Unternehmen in die Forschungsfabrik«, so Hanselka, »stärken wir zudem die Anziehungskraft von Stadt und Region.«
Dr. Raoul Klingner, Direktor Forschung der Fraunhofer-Gesellschaft, sagt: »Wir freuen uns, unsere besondere Stärke in der anwendungsorientierten Forschung in diese enge Kooperation mit dem KIT einzubringen – und zwar sowohl im Bereich der Werkstoff-, Fertigungs- und Verfahrenstechnik als auch in der Automatisierungs-, Sensor- und Informationstechnik.«
Zielsetzung und wissenschaftlicher Ansatz
Ziel der Karlsruher Forschungsfabrik ist es, Vorsprünge bei neuen, herausfordernden Fertigungsverfahren systematisch zu erarbeiten und auszubauen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen lernen, wie man bereits sehr früh – das heißt, wenn die für ein neues Produkt erforderlichen Fertigungsprozesse noch nicht vollständig verstanden und beherrscht werden – qualitativ hochwertige Produkte herstellen kann. Mithilfe modernster Mess-, Sensor- und Regelungstechnik wollen sie Methoden entwickeln, die geeignet sind, neue Produktionstechnologien schnell in sichere und profitable industrielle Fertigungsprozesse umzusetzen. Hierbei kann die Produktion schon sehr früh anlaufen, weil intelligente Prozessregelungen dafür sorgen, dass trotz der noch unreifen Fertigungstechnologien erste, qualitativ einwandfreie Produktexemplare hergestellt werden.
Konkret geschieht dies folgendermaßen: Verfahren des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz nutzen die von Sensoren erhobenen Daten, um Korrelationen zwischen qualitätsbezogenen Daten und Prozessparametern zu erkennen. Auf diese Weise »lernt« die bereits in Betrieb befindliche Fertigungsanlage, welche Parameter gute Ergebnisse produzieren. Erklärtes Ziel der Forschungsfabrik-Akteure ist es, maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz nicht nur auf einzelne Fertigungsschritte oder unmittelbar aufeinanderfolgende Prozesse anzuwenden, sondern ganze Prozessketten zu erfassen und zu verbessern.
Die so signifikant verkürzte »Time-to-Market« soll es insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen ermöglichen, mit neuen Produkten sehr viel früher als bisher auf den Zielmärkten präsent zu sein. Die beteiligten Institute wbk (KIT), ICT und IOSB (Fraunhofer) vereinen jene Kompetenzen in der Produktions-, Fertigungs- und Verfahrenstechnik sowie in der Automatisierungs-, Sensor- und Informationstechnik, die notwendig sind, um diese wissenschaftlich anspruchsvolle Zielsetzung umzusetzen. Anwendungsfelder der Forschungsfabrik sind Elektromobilität und Leichtbau, aber auch andere innovative Felder, für die es mit Industrie 4.0- und KI-Methoden eine intelligente und wirtschaftliche Produktionstechnik zu etablieren gilt.
»Die schnelle Industrialisierung von neuen, innovativen Produktionstechnologien ist zur Stärkung des Produktionsstandorts Deutschland essenziell«, betont Professor Jürgen Fleischer, Leiter des wbk Instituts für Produktionstechnik des KIT und Leiter des wbk-Bereichs Maschinen, Anlagen und Prozessautomatisierung. »Das Alleinstellungsmerkmal der Karlsruher Forschungsfabrik ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Produktionsforschung, Automatisierungstechnik und Informatik unter einem Dach.«
Professor Frank Henning, stellvertretender Leiter des Fraunhofer ICT und Inhaber des Lehrstuhls für Leichtbautechnologie am Institut für Fahrzeugsystemtechnik des KIT, sieht »in der Interdisziplinarität und der effizienten Nutzung von Prozessdaten in komplexen Prozessen den Schlüssel zur nachhaltigen Fertigung am Standort Deutschland.«
Professor Jürgen Beyerer, Leiter des Fraunhofer IOSB sowie Inhaber des Lehrstuhls für Interaktive Echtzeitsysteme am Institut für Anthropomatik des KIT, weist auf ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Forschungsfabrik hin: »Entscheidend ist die Verbindung aus umfassender Sensorik und der Auswertung der damit gewonnenen Daten, unter anderem mit Methoden des maschinellen Lernens und deren verständlicher Visualisierung. Auf dieser Basis lassen sich unreife Fertigungsprozesse explorieren, verstehen und viel gezielter als heute optimieren.«
»Die Forschungsfabrik und die dort zu entwickelnden Methoden und Werkzeuge des maschinellen Lernens und der gezielten Suche nach Prozessparametern sind eine erste Ausprägung der in der aktuellen KI-Strategie der Bundesregierung formulierten Ziele«, erläutert Dr. Olaf Sauer, der als Stellvertreter des Institutsleiters am IOSB die Planung der Karlsruher Forschungsfabrik auf Seiten der Fraunhofer-Gesellschaft koordiniert.
Kooperation mit Industriepartnern
Die in der Karlsruher Forschungsfabrik zu entwickelnde Methodik der schnellen Industrialisierung neuer Produktionstechnologien verspricht den zahlreichen innovativen kleinen und mittleren Unternehmen in Baden-Württemberg entscheidende Vorteile im globalen Wettbewerb. Um Ergebnisse zielgerichtet und schnell zu transferieren, sollen interessierte Unternehmen deshalb von Anfang an eingebunden werden – durch enge Kooperationen, Verbundprojekte und Workshops. Zugleich gehen KIT und Fraunhofer davon aus, dass die Forschungsfabrik mit ihren attraktiven Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter im angewandten Forschungsumfeld langfristig zum Aufbau und Erhalt der Innovationsführerschaft der TechnologieRegion Karlsruhe in der Werkstoff-, Produktions- und Informationstechnik beitragen wird. Über die Lehre am wbk Institut für Produktionstechnik ist die Forschungsfabrik darüber hinaus mit der kommenden Ingenieur-Generation verbunden.
Eckdaten zum Bau der Forschungsfabrik
Ihren Standort wird die Karlsruher Forschungsfabrik auf dem Campus Ost des KIT beziehen. Für die Umsetzung der Baumaßnahme ist ein Gesamtbudget von rund 15 Millionen Euro vorgesehen. Zu diesem tragen die Kooperationspartner KIT und Fraunhofer jeweils die Hälfte bei; hinzu kommen Investitionen in die Erstausstattung der Fertigungshallen, Labore und Büros. Nach der Grundsteinlegung im Sommer 2019 wird das L-förmige Gebäude ab Ende 2020 auf zwei Stockwerken und einer Fläche von 4500 Quadratmetern rund 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beherbergen. Darüber hinaus bietet es 50 Arbeitsplätze für Kooperationspartner aus der Industrie. Die Eröffnung ist für Ende 2020 geplant.
Das Projekt »Karlsruher Forschungsfabrik« wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg sowie durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung.
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