Zielstellung
Moderne automatisierte Produktionsanlagen zeichnen sich einerseits durch eine wachsende Komplexität und Vernetzung, andererseits durch eine zunehmende Dynamik bedingt durch zufällige Störungen aus. Die Überprüfung der korrekten Funktionalität, die Fehlersuche, das frühzeitige Erkennen von drohenden Störungen und insbesondere die Diagnose und das Monitoring des zugrundeliegenden physikalischen Prozesses sind von entscheidender Bedeutung für das wirtschaftliche Betreiben komplexer Produktionsprozesse in der Industrie. In der Anwendungsklasse Performance und Condition Monitoring von verfahrenstechnischen Prozessen sollen auf Basis der vorangegangenen Betrachtungen Monitoring- und Diagnosekonzepte zur Überwachung komplexer Produktionsprozesse in der chemischen und pharmazeutischen Industrie entwickelt werden.
Lösungskonzept
Die in der Anwendungsklasse betrachtete Aufgabenstellung des Performance und Condition Monitoring technischer Anlagen steht aus wissenschaftlicher Sichtweise eng im Zusammenhang mit der Theorie der Diagnose technischer Systeme. Das Grundprinzip der modellgestützten Diagnose technischer Systeme basiert auf einem quantitativen mathematischen Modell des zu überwachenden Prozesses. Durch ein geeignetes Gütekriterium werden die gemessenen Prozessgrößen mit den berechneten Prozessgrößen verglichen je größer der Abstand zwischen gemessenen und modellierten Prozessgrößen ist, desto wahrscheinlicher liegt eine Abweichung vom in der Modellierung angenommenen Normalverhalten des Prozesses vor. Die Schwierigkeit bei der Realisierung solcher modellbasierten Diagnosesysteme liegt in der Erstellung des Prozessmodells, insbesondere wenn analytische Modellansätze zur Verwendung kommen. So ist es z. B. bei verfahrenstechnischen industriellen Prozessen oft nur mit großem Entwicklungsaufwand unter Einbezug von detailliertem Expertenwissen über die physikalischen Zusammenhänge des Prozesses möglich, ein robustes Prozessmodell zur Merkmalgenerierung aufzustellen. Eine Alternative zu den analytisch modellbasierten Methoden bieten datengetriebene lernfähige Modellansätze. Methodisch stehen dabei die künstlichen neuronalen Netze im Vordergrund. Auf Basis von gemessenen Prozessgrößen (Lerndaten) sind neuronale Netze unter Anwendung eines überwachten Lernalgorithmus in der Lage, das statische und / oder das dynamische Übertragungsverhalten des Prozesses zu erfassen. Der Vorteil hierbei liegt darin, dass a priori kein analytisch formuliertes Prozessmodell von Nöten ist und somit der Entwickler von unsicheren Annahmen über die physikalischen Zusammenhänge des Prozesses bei der Modellierung entbunden wird. Im Zusammenhang mit der Diagnose eines unbekannten physikalischen Prozessverhaltens von komplexen Automatisierungsanlagen stellt sich jedoch das Problem, dass prinzipiell alle Ein- und Ausgangsgrößen der physikalischen Teilprozesse der Anlage aus den Datenbanken (historisch) bzw. Leitsystemen (online) abrufbar sind, jedoch erfordert die Zuordnung hinsichtlich Ein- bzw. Ausgangsgröße des jeweiligen Teilprozesses wiederum eine sehr detaillierte, aus der Anlagendokumentation abzuleitende, Kenntnis über die zugrunde liegende Anlage. Diese Zuordnung hinsichtlich Ein- bzw. Ausgangsgröße ist jedoch notwendig, sei es nun für eine analytische Modellierung bzw. auch für eine Modellierung basierend auf klassischen neuronalen Netzen. In der Theorie des maschinellen Lernens spricht man hier von so genannten überwachten Lerndatensätzen. In der industriellen Praxis zeigt sich, dass insbesondere die Erstellung eines überwachten Lerndatensatzes zur Generierung von datengetriebenen Prozessmodellen mit großem Engineeringaufwand verbunden ist. In der Anwendungsklasse Performance und Condition Monitoring von verfahrenstechnischen Prozessen werden deshalb Methoden des maschinellen Lernens / Data Mining bereitgestellt, welche es ermöglichen, auf Basis von unüberwachten Lerndatensätzen geeignete Prozessmodelle zum Performance und Condition Monitoring zu generieren.
Funktionalität
In der Anwendungsklasse Performance und Condition Monitoring der Prodami-Suite werden folgende Funktionen im Hinblick auf das Monitoring komplexer technischer Prozesse bereitgestellt: - Unterstützung bei der datengetriebenen Modellierung komplexer verfahrenstechnischer Prozesse in der chemischen Industrie: Modellierung des Prozessverhaltens auf Basis historischer Prozessaufzeichnungen durch Methoden des maschinellen Lernens insbesondere für technische Prozesse mit langsam veränderlichem Prozessverhalten (quasi-statische Prozessdynamik) - Erfassung von Prozesswissen durch strukturentdeckende Data-Mining-Methoden: Erkennung und Beschreibung von Prozessphasen in verfahrenstechnischen Produktionsanlagen durch strukturentdeckende unüberwachte Lernverfahren - Online-Monitoring und Diagnose des Prozessverhaltens: Nutzung der datengetriebenen Modelle zum Monitoring des Prozessverhaltens, Überwachung der Prozessparameter, Erkennung von schleichenden Veränderungen der Betriebspunkte. Diagnose von Fehlern, Komponentenausfällen und Lokalisierung (FDI)
Typische Anwendungsgebiete
Typische Anwendungsgebiete der Anwendungsklasse sind kontinuierliche Prozesse in der chemischen / pharmazeutischen Industrie. Diese Prozesse sind insbesondere durch die folgenden charakteristischen Eigenschaften gekennzeichnet: - Kontinuierliche langandauernde Prozesse für eine Produktvariante, z. B. Kolonnenprozesse - Beispiele: Großindustrielle Herstellung von Grundstoffen für z. B. Lacke, Pharmaprodukte, etc. Neben diesen chemischen Großanlagen werden in der Anwendungsklasse auch Batchprozesse in der chemischen / pharmazeutischen Industrie behandelt. Dabei konzentriert sich die Anwendungsklasse auf folgende Prozesse: - Batchprozesse zur Herstellung qualitativ hochwertiger chemischer und pharmazeutischer Produkte in Universal-Batchreaktoren - Beispiele: Grundstoffe für Pharmaprodukte, Impfstoffe, Pflanzenschutzmittel, etc.
Kontakt:
Christian Frey
Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB
Tel.: +49 721 6091-332
E-Mail: christian.frey@iosb.fraunhofer.de