»Klima- und Energiepreiskrise als Chance begreifen«

Cross-sektorale Kopplung und kognitive Systeme sind wichtige Bausteine, um die aktuellen Herausforderungen für Energieversorgungssystem und -sicherheit zu bewältigen.

Prof. Bretschneider, infolge des Kriegs in der Ukraine soll die Energiewende beschleunigt werden: Die Bundesregierung möchte bis 2030 schon 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energien erzeugen. Ein realistisches Ziel?

Peter Bretschneider: Angesichts von aktuell etwa 50 Prozent Anteil ist das mehr als ambitioniert. Das Problem sind nicht unbedingt die Technologien selber, sondern auch deren Lieferverfügbarkeit bei stark wachsender Nachfrage, mögliche Lieferkettenprobleme, Kostensteigerungen, der zunehmende Fachkräftemangel etc. Zudem gibt es konkurrierende Ziele: Zum so genannten energiepolitischen Dreieck gehören neben dem Ausbau der Erneuerbaren auch Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit. Andererseits bietet sich jetzt die einmalige Chance einer disruptiven Veränderung, die uns mittel- bis langfristig deutlich unabhängiger von Energieimporten machen kann.

Dabei dürfen wir aber nicht allein Strom betrachten: Die cross-sektorale Energieversorgung – also die Kopplung der Sektoren Strom, Gas, Wärme/Kälte, Mobilität – wird zunehmend wichtig. Insbesondere im Gebäude- und Quartiersbereich sind dadurch signifikante Synergie- und Kosteneinsparungen möglich, was allerdings etwa auch lokale Energiespeicher und leistungsfähige Energiemanagementsysteme voraussetzt. Das gesamte Energiesystem wandelt sich also. Das ist nicht neu: Liberalisierung und Klimakrise beschäftigen uns schon lange. Die aktuelle Krise verschärft aber das Tempo und rückt unter anderem die Energieeffizienz neu in den Fokus, weil sich hier auch kurzfristig ansetzen lässt. 

 

Welchen Beitrag können kognitive Energiesysteme leisten?

Bretschneider: Der beschriebene Wandel steigert die Komplexität und die Anforderungen massiv. Beherrschen lässt sich das nur mittels Digitalisierung. Um einen robusten und gleichzeitig möglichst effizienten Betrieb zu gewährleisten, müssen Energiemanagementsysteme dabei auch auf Methoden der Künstlichen Intelligenz setzen – ob für Last- und Netzverlustprognosen, Energieeinsatzoptimierung einschließlich Redispatch oder intelligentes Laden.

Welche Leistungen kann das Fraunhofer IOSB anbieten?

Bretschneider: Technologieunternehmen, Energieversorger und Plattformbetreiber profitieren von unserer umfassenden Kompetenz von der Modellierung über die Datenaufbereitung und die Automation von Prozessen bis hin zur Optimierung im laufenden Betrieb – nicht zu vergessen die Cybersicherheit. Mit unserer Energiemanagementsuite EMS-EDM PROPHET® sind wir seit über 20 Jahren erfolgreich im Markt unterwegs. Neu hinzu kommen die erwähnten KI-Lösungen und cross-sektoralen Anwendungen. Mit dem Bauhaus.MobilityLab, dem Wachstumskern SMOOD® - smart neighborhood und im Rahmen des Open District Hub sind wir an wesentlichen Leuchtturmprojekten in Deutschland beteiligt. Von diesen Erfahrungen profitieren unsere Kunden.

 

Prof. Bretschneider ist Sprecher des Geschäftsfelds Energie-, Umwelt- und Sicherheitssysteme, Direktor des Fraunhofer IOSB-AST und Leiter der Abteilung Kognitive Energiesysteme (KES).

Jahresbericht »We make AI fly«

Das obenstehende Interview ist dem Jahresbericht 2021/2022 entnommen, der schwerpunktmäßig die KI-Anwendungskompetenz des Fraunhofer IOSB beleuchtet.

 

Energie-, Umwelt- und Sicherheitssysteme

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