Kulturerbe in Deutschland vor Extremklimaereignissen schützen
Noch bis Ende Dezember hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne. In einem ehrgeizigen Programm hat sich Deutschland unter anderem vorgenommen, das Thema Klimawandel und Kulturerbeschutz zu adressieren. Doch noch immer fehlen verlässliche Daten und wissenschaftliche Untersuchungen, wie und vor allem welche zukünftigen Extremwetterereignisse sich auf unser Kulturerbe in den verschiedenen Regionen Deutschlands auswirken und mit welchen Maßnahmen wir unser Kulturerbe schützen können. Dies werden Forschende in den nächsten drei Jahren in dem vom BMBF geförderten Projekt »KERES« erstmals für Deutschland untersuchen. Koordiniert wird das Forschungsvorhaben vom Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg zusammen mit dem Fraunhofer EU-Büro Brüssel.
Hitze und Trockenheit lassen die Gefahr von Großbränden steigen, Starkregen führt vermehrt zu Überschwemmungen – die Waldbrände in Brandenburg in diesem Jahr und die Jahrhundertflut in Mitteleuropa 2002, die allein in Dresden Schäden in Milliardenhöhe verursachte, sind dafür nur zwei Beispiele. Mit welchen Extremwetterereignissen ist in Deutschland zukünftig zu rechnen? Wie können Schäden an unwiederbringlichen historischen Stätten vermieden werden? Welche Maßnahmen sind langfristig erfolgreich und zudem ökonomisch sinnvoll? Diese und weitere Fragen untersuchen Forscherinnen und Forscher in dem am 1. Dezember startenden Projekt KERES, das vom BMBF mit 1,97 Mio Euro gefördert wird. Unter Federführung des Fraunhofer ISC und des Fraunhofer EU-Büros Brüssel arbeiten an dem Projekt drei weitere Fraunhofer-Institute aus der Forschungsallianz Kulturerbe (Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, Fraunhofer-Zentrum für internationales Management und Wissensökonomie IMW, Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB) mit dem Climate Service Center Germany des Helmholtz-Zentrums Geesthacht sowie der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg zusammen.
»Ziel ist es, aus hochaufgelösten regionalen Klimamodellen Schadensrisiken für historische Gebäude und Gärten abzuschätzen und nachhaltige Präventions- und Notfallmaßnahmen für den Erhalt zu entwickeln. Damit wird das Projekt auch einen wichtigen Beitrag zum Europäischen Green Deal leisten«, erläutert Projektleiterin Dr. Johanna Leissner. Passend zum Start des Projekts tritt die Forschungsallianz Kulturerbe am 1. Dezember als erster deutscher Forschungsverbund dem »Climate Heritage Network« bei, einem internationalen Netzwerk aus Forschungs- und Kultureinrichtungen, welche gemeinsam die Erreichung der Klimaschutzziele des Pariser Abkommens vorantreiben und Strategien des Umgangs mit den Folgen des Klimawandels entwickeln.
Kulturgüter für nachfolgende Generationen erhalten
Für das Vorhaben KERES können die Forschenden auf zwei vorangegangenen EU-Projekten aufbauen – Climate for Culture und Heracles – die sich beide mit den Wirkungen des globalen Klimawandels auf das kulturelle Erbe auseinandergesetzt haben. Der Fokus in dem neuen Vorhaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) wird auf die Zunahme von Extremklimaereignissen in Deutschland gelegt: Länger anhaltende Hitzewellen gepaart mit extremer Trockenheit, orkanartige Stürme, sintflutartige Regenfälle, Zunahme der Temperaturschwankungen und Meeresspiegelanstieg. Diese Ereignisse werden wesentlich öfter auftreten und damit auch die Schäden an Kulturgütern, die deshalbeines besonderen Schutzes bedürfen, um sie für nachfolgende Generationen zu erhalten. Im Vordergrund stehen dabei historische Gebäude und Monumente sowie die von Menschen gestalteten historischen Gärten und Kulturlandschaften mit ihren einzigartigen Sammlungen von Nutz- und Zierpflanzen.
Simulation von Extremwetterereignissen
Über einen Zeitraum von drei Jahren werden die zukünftige regionale Relevanz von Extremwetterereignissen, zu erwartende Schäden an Gebäuden und Außenanlagen sowie Maßnahmen zur Vermeidung und Bewältigung akuter Schadenslagen untersucht. Die Forschenden setzen hier neue Simulationsverfahren ein, um Auswirkungen von Extremwetterereignissen beurteilen zu können. Diese werden mit einer Gebäude-Simulationssoftware und einem Stadtklimamodell gekoppelt. So lassen sich auf die jeweiligen Kulturerbestätten individuell zugeschnittene Präventionsstrategien entwickeln. Diese Erkenntnisse werden auf einer Wissensplattform gebündelt, die Kulturerbeeinrichtungen sowohl bei der Prävention als auch im Notfallmanagement unterstützen soll. Zentral ist hier die Strukturierung, Verknüpfung und visuelle Aufbereitung von Daten, um eine Risikobeurteilung und Priorisierung der Rettungsmaßnahmen vornehmen zu können sowie Entscheidungs- und Koordinationsprozesse zu erleichtern. Über eine mobile App können zudem Rettungsmaßnahmen koordiniert und unter anderem ehrenamtliche Helfende eingebunden werden.
Basis für einen Erfolg des Projektes ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Projektteam: Das Konsortium besteht unter anderem aus NaturwissenschaftlerInnen, KonservatorInnen, KlimawissenschaftlerInnen, BauphysikerInnen, LandschaftsarchitektInnen, InformatikerInnen und WirtschaftswissenschaftlerInnen. Darüber hinaus werden wichtige Akteure des Notfallmanagements wie des Brand- und Katastrophenschutzes, deutsche Kulturerbeinstitutionen sowie ein internationales Expertengremium eingebunden.
Mitglieder des Expertengremius sind:
- Brand- und Katastrophenschutzamt der Landeshauptstadt Dresden
- Landesfeuerwehrverband Bayern
- Bundesanstalt Technisches Hilfswerk
- Max-Planck-Institut für Meteorologie
- COMOS Deutschland
- Dt. Gesellschaft für Kulturgutschutz
- SiLK-Sicherheitsleitfaden Kulturgut
- Verband der Landesdenkmalpfleger
- Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie des Freistaats Sachsen
- Deutsche Bundesstiftung Umwelt
- Generaldirektion Kulturelles Erbe, Rheinland-Pfalz
- Staatliche Schlösser und Gärten, Baden-Württemberg
- Römisch-Germanisches Zentralmuseum
- Bayer. Verwaltung der staatlichen Schlösser und Gärten und Seen
- Kultur und Arbeit e.V.
- Otto-Friedrich-Universität Bamberg
- Ephorate of Antiquities of Heraklion, Griechenland
Letzte Änderung: